Thema des Monats Dezember 2013/Januar 2014: CVJM-Friedensnetz: Versöhnung, Unterstützung und Austausch - intensive Kontakte mit dem weißrussischen CVJM in Woloshin

Sarah Vogel
Sarah Vogel

Sarah Vogel, Bildungsreferentin im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) Niedersachsen und Geschäftsführerin des CVJM-Friedensnetzes, beschreibt im Thema des Monats Dezember 2013 und Januar 2014 die vielfältigen und wichtigen Aufgaben des Vereins.

 

Sarah Vogel ist über die Geschäftsstelle des CVJM-Friedensnetzes in der Badenstedter Straße 24 in 30449 Hannover zu erreichen. Die Telefonnummer ist 0511/37062979. Die E-Mail-Adresse ist cvjm-in-niedersachsen@gmx.de.

 

Internetseiten mit Informationen über die Arbeit des CVJM sind zum Beispiel www.cvjm-landesverband-hannover.de und www.cvjm-norddeutschland.de und www.cvjm.de.

 

In Westhagen sind im Rahmen des Programms "Integration durch Sport" gemeinsam mit dem LandesSportBund (LSB) Niedersachsen und vielen anderen Vereinen, Kirchen, Gruppen, Schulen und Organisationen drei Veranstaltungen zum Thema "Frieden und Toleranz" durchgeführt: 2004 eine "WesthagenNacht" mit Sportgottesdienst (hier klicken), 2004 der "Lauf für Frieden und Toleranz" (hier klicken) und 2008 ein "Lauf für Frieden - zehn Millionen Schritte für Frieden und Toleranz" (hier klicken).

 

„Mir ist besonders wichtig, dass Kinder ihre Energie sinnvoll einsetzen und sich körperlich austoben können!“ „Ich finde, wir sollten vor allem entscheiden, was Gesundheit für uns bedeutet.“ „Ja, das ist gut. Was Gesundheit bedeutet und auf welchen Ebenen wir sie fördern können, zum Beispiel durch Sport, durch Ernährung und auch durch schöne Erlebnisse.“

 

So lebhaft ist die Diskussion gestartet, als sich knapp zehn junge Menschen zum Projektbeginn über die Umsetzung des Hoffnungszeichenprojekts „gesund und munter“ austauschten. Ein Projekt für Kinder und Jugendliche zur Gesundheit? Interessieren sich junge Menschen nicht viel eher für Computer, Geocaching und Co? Dieser Einwand ist sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen, aber das Projekt wird vom CVJM in Woloshin durchgeführt, einem Verein in einer ländliche Region in Weißrussland (Belarus)  nord-östlich der Hauptstadt Minsk. Und dort ist die Lebenssituation junger Menschen eine andere als beispielsweise für deutsche Jugendliche.

 

Seit Jahrzehnten hat das CVJM-Friedensnetz e.V. (eingetragener Verein) eine Partnerschaft mit diesem CVJM in Woloshin. Aufgrund der Erfahrungen des Zweiten Weltkrieg und des Kalten Kriegs war anfangs das Thema der ersten Kontakte „Frieden und Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion“. Zusätzlich galt es, dem CVJM in Belarus Unterstützung zu bieten, im Aufbau ihrer Jugendarbeit finanziell, aber insbesondere auch strukturell. Im Laufe der Zeit ist daraus eine richtige Partnerschaft auf Augenhöhe entstanden: Kulturelle und politische Unterschiede und Gemeinsamkeiten wurden festgestellt, kritische Fragen nicht mehr ausgespart, Projektideen wurden diskutiert, verworfen und natürlich auch gemeinsam umgesetzt. Dies war mit Partnern eines Landes, welches unter Lukaschenkos strengem Regime regiert wird, gar nicht so einfach. Denn ein offener Meinungsaustausch konnte erst nach vielen Begegnungen und dem Aufbau von Vertrauen erfolgen und ist leider nach wie vor von Angst und Zurückhaltung geprägt. „Wir Frauen arbeiten hart. Wir erziehen die Kinder, machen den Haushalt, den Gemüseanbau im Garten und arbeiten in Vollzeit. Halbtagsstellen sind hier nicht üblich. Ich glaube, es ist gewollt, damit wir keine Zeit haben, über die politische Lage nachzudenken“, vertraut uns eine belarussische Frau an. Aussagen wie diese zeigen, wie wichtig und sinnvoll solche Partnerschaften sind: Belarus bleibt ein Land, in dem es die Menschen aufgrund sehr unterschiedlicher Faktoren schwer haben.

 

Der CVJM in Belarus engagiert sich in einem Land, das durch der Tschernobylkatastrophe unmittelbar und langfristig mit den Folgen zu kämpfen hat. Viele Kinder und Jugendliche haben große gesundheitliche Probleme, ihr Immunsystem ist geschwächt, sie sind häufig erkältet und haben grippale Infekte. Auch wenn der Alltag scheinbar wieder in normale Bahnen zurückgekehrt ist, ist die Strahlenbelastung nach wie vor sehr hoch und bleiben die Katastrophe und ihre Folgen in den Köpfen präsent. Die Kinder aus der Zeit des Reaktorunglücks sind nun teils selbst Eltern und leiden darunter, wenn ihre Kinder gesundheitlich durch die Folgen der nuklearen Strahlungen häufiger erkranken und unter der Ungewissheit, ob Schäden und Krankheiten an eigene Kinder weitergegeben werden. Infektionen, Herzschwäche und Krebserkrankungen sind in den Familien keine Seltenheit. Daher setzt das CVJM-Friedensnetz gemeinsam mit dem CVJM in Woloshin verschiedene Projekte um.

 

Begonnen hat dies vor vielen Jahren mit der Maßnahme „Urlaub vom verstrahlten Alltag“. Bis heute kommen im Sommer Kindergruppen für drei Wochen nach Deutschland, um sich zu erholen, aber auch um das Leben in Deutschland kennenzulernen. Zoo- und Schwimmbadbesuche, Stadtbummel und Spielplätze, Backen und Kochen, Bootstouren und Tagesausflüge stehen ebenso auf dem Programm, wie besinnliche Stunden und das Kennenlernen der CVJM-Arbeit.

 

Vor drei Jahren wurde diese Maßnahme dann ergänzt durch ein „Mutter-Kind-Projekt“, welches in Delmenhorst erprobt wurde. Mütter werden gemeinsam mit einem ihrer Kinder eingeladen, um sich von ihrem anstrengenden Alltag zu erholen und den Kindern neue Eindrücke in einem bislang fremden Land geben zu können. Vormittags sind die Kleinen in Kindergartengruppen integriert. „Kinder gehen unbeschwert aufeinander zu und deutsche Kinder mit russischem Migrationshintergrund können sich gut einbringen und erfahren eine neue Wertschätzung“, erzählt Eckhard Petreins, Koordinator des Mutter-Kind-Projekts.

 

Im Sommer dieses Jahres startete dann eine weitere Maßnahme, dieses Mal direkt vor Ort in Woloshin. Das Projekt „gesund und munter“ dient dazu, junge Menschen für eine gesündere Lebensweise zu sensibilisieren und sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu stärken: „Wir wollen den Kindern und Jugendlichen vermitteln, wie sie trotz unserer schwierigen Umstände ihr Leben so gesund wie möglich gestalten können. Dabei arbeiteten wir auch schon in der Vergangenheit mit staatlichen Behörden, beispielsweise mit Schulen der Region, dem Krankenhaus in Woloshin und dem Sozialamt, zusammen“, erklärt Valentina Shakun, die Vorsitzende des CVJM in Woloshin.

 

Im ersten Jahr wird der Schwerpunkt die gesunde Ernährung sein, im zweiten Jahr wird die Thematik erweitert und es gibt insbesondere Angebote zum Leitgedanken „Körper und Geist“. Im dritten Jahr geht es darum, die eigene Person im Einklang mit der Umwelt zu erleben unter dem Motto „Ich und meine Umwelt“. Ziel ist es, das Interesse an einer gesunden Lebensweise altersgerecht möglichst vielen jungen Menschen zu vermitteln und sie körperlich und emotional zu stärken.

 

In den Wintermonaten 2013 hat das Projekt Unterstützung aus Kassel. Greta Röbe-Oltmanns, die an der CVJM-Hochschule studiert, macht derzeit ein Praxissemester beim CVJM in Woloshin. Erstmals besuchte sie das Land Belarus und den CVJM in Woloshin bei einer Reise im April dieses Jahres, lernte seitdem Russisch und lebt nun seit September in Woloshin ganz in der Nähe des dortigen CVJM-Hauses. „Am vergangenen Sonntag haben wir die Themenreihe zu den Sinnen gestartet und es ging ums „Sehen”. Wir haben gemeinsam die Geschichte gelesen, in der Jesus einen Blinden heilt, diese teils nachgespielt und verschiedene Spiele zum Thema gemacht. Es war echt total schön und hat uns allen viel Spaß gemacht“, berichtet sie nach dem wöchentlichen Treffen der CVJM-Kindergruppe. Das CVJM-Friedensnetz begleitet das Projekt über die drei Jahre. „Wir sind alle sehr gespannt, was durch das Projekt entstehen wird. Denn es soll sich durch die Arbeit und Interessen der jungen Menschen selbst weiterentwickeln“, erklärt Sarah Vogel, Geschäftsführerin des CVJM-Friedensnetzes. Eine kleine Broschüre am Projektende im Jahr 2016 soll zudem weitere belarussische CVJM-Ortsvereine dazu animieren, ein solches oder ähnliches Projekt durchzuführen. Bis dahin gibt es aber sicherlich viele nette Aktionen, die das Leben der Kinder und Jugendlichen beim CVJM in Woloshin „gesund und munter“ gestalten.

 

Dieses Vorhaben wird im Rahmen des Projekts „Hoffnungszeichen“ des CVJM-Gesamtverbands finanziell unterstützt. Weitere Maßnahmen, beispielsweise der „Urlaub vom verstrahlten Alltag“ oder das „Mutter-Kind-Projekt“, tragen die Vereine des CVJM-Friedensnetzes selbst und sind dafür sehr auf Spenden angewiesen. „Die Katastrophe von Tschernobyl ist vor mehr als 25 Jahren passiert. Nur wenige Menschen in Deutschland denken daran, dass sie immer noch so starken Einfluss auf das Leben der Menschen in Belarus hat. Es ist daher nicht einfach, Spenden für die Partnerschaft und Projekte zu bekommen. Die Maßnahmen sind aber für uns sehr wichtig, der kulturelle Austausch ist auch für uns eine große Bereicherung“, erklärt Klaus Kobs, Vorsitzender des CVJM-Friedensnetzes. Daher werden Projekte weitergeführt und neue Aktionen geplant. Gisela Aha, die nun seit über zwanzig Jahren Kinder zum „Urlaub vom verstrahlten Alltag“ nach Deutschland einlädt, ergänzt: „Es ist so schön zu hören, dass die Kinder nach ihrem Aufenthalt in Deutschland aktiver sind und seltener krank werden. Für die Gesundheit, aber vor allem für die Freude der Kinder, lohnt sich die Anstrengung.“